Grenzen des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
Ein Vater wurde von seiner nichtehelichen Tochter auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt für ein Medizinstudium in Anspruch genommen, das die Tochter erst im Alter von 26 Jahren aufnahm.
Die Tochter absolvierte ihr Abitur im Jahr 2004 mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Ihre Bewerbung um einen Medizinstudienplatz wurde abgewiesen, weshalb sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin begann und im Januar 2008 erfolgreich abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin und erhält BAföG.
Das BAföG-Amt forderte den Vater daraufhin im Jahr 2011 auf, die erhaltenen BAföG-Zahlungen zurückzuzahlen.
Seit dem 16. Lebensjahr hatte der Vater keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter. Per Brief hatte er ihr im Jahre 2004 nach dem Abitur - dessen erfolgreiche Ablegung er annahm - mitgeteilt, er gehe vom Abschluss der Schulausbildung aus und davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Nachdem eine Reaktion hierauf unterblieb, stellte er die Unterhaltszahlungen für seine Tochter ein. In den folgenden Jahren nahm der Vater zur Finanzierung seines Eigenheims ein größeres Darlehen auf und zahlte dieses langfristig ab.
Und so entschied der BGH, Az XII ZB 415/16, Beschluss vom 3. Mai 2017:
Dem Vater war eine Unterhaltszahlung nach einer so langen Pause nicht mehr zumutbar und der Antrag auf Unterhalt wurde abgewiesen.
Zwar müssen Eltern für eine angemessene Berufsausbildung des Kindes aufkommen. Angemessen ist eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.
Voraussetzung ist ein einheitlicher Ausbildungsgang, der auch gegeben sein kann, wenn ein Kind nach Erlangung dem Abitur eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.
Wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan aber erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden, kann eine Unterhaltspflicht unzumutbar sein. Das war hier der Fall. Der Vater hatte jahrelang keinerlei Kontakt zu seiner nichtehelichen Tochter und musste nach dem Abitur an diese auch keinen Unterhalt zahlen. Er musste nicht mehr damit rechnen, dass seine Tochter noch einmal ein Studium aufnehmen würde.
Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Tochter Kontakt mit dem Vater gehalten hätte und diesem bei Beginn ihrer Ausbildung zur anästhesietechnische Assistentin mitgeteilt hätte, dass sie sich weiterhin um einen Medizinstudienplatz bewerben würde und an ihrem Plan weiter festhalte, Medizin zu studieren.
Es ist daher sinnvoll, dass Studenten, die aufgrund eines schlechteren Notendurchschnitts ihr Wunschstudium nicht aufnehmen können, die Unterhaltsverpflichteten immer wieder daran erinnern, dass sie weiterhin ihren Studienwunsch verfolgen.